August 2019

„je suis pauvre“ – Facetten der Mobilität in Zeiten wirtschaftlicher Not am Beispiel der französischen Komponistin Pauline Duchambge

Erste Seite und Adressierung des Briefes von Pauline Duchambge an Julius Benedict, Paris, 11.10.1844, Signatur: Rara/FMG Duchambge.P.2 © Archiv fmg


Der vorliegende Brief stammt aus der Feder der französischen Komponistin Pauline Duchambge (1778–1858). Er ist an den nach England übergesiedelten deutschen Komponisten Julius Benedict adressiert und datiert vom 11.10.1844.

In diesem Brief legt Duchambge ihre Armut offen – „je suis pauvre“ –, bittet um Diskretion und erkundigt sich nach Mitteln und Wegen, zwei oder drei ihrer als Manuskript vorliegenden Romances nach London zu verkaufen: „Je voudrais savoir s’il y aurait moyen de trouver à vendre deux ou trois romances que j’ai en manuscrits à Londres?“ An späterer Stelle verspricht sie, ihrem Briefadressaten eine bereits gedruckte Romance zuzusenden. Auch die anderen im Forschungszentrum Musik und Gender archivierten Briefe Duchambges bringen ihre Verzweiflung zum Ausdruck und zeigen Versuche, dieser zu entkommen.

Will man nun den im Brief angestoßenen Verkauf mit Druckanfrage in England kontextualisieren, so sind die Datierung der Briefe und ihre Biographie im Kontext der gesellschaftspolitischen Umwälzungen aufschlussreich: Duchambge erhielt seit Kindheitstagen entsprechend ihrer adligen Herkunft eine musikalisch breite Ausbildung. Nach dem frühen Tod ihrer Eltern und einer gescheiterten Ehe – ein biographischer Wendepunkt, der Mobilität freisetzte – entschied sie, die Musik zu ihrem Beruf zu machen und studierte privat bei Johann Ladislaus Dussek und bei Luigi Cherubini. Sie komponierte über 400 Romances, die größtenteils als Einzelausgabe und als Sammlung verlegt wurden, was für ihren Erfolg spricht. Zudem war diese weniger komplexe, für den häuslichen Gebrauch bestimmte Gattung, die auch Komponisten wie Henri-Louis Blanchard, Antoine Romagnési und Auguste Panseron bedienten, eine, die Frauen zugestanden wurde.

Die im Forschungszentrum Musik und Gender archivierten Briefe datieren aus den Jahren 1836, 1844 und 1849 – eine Zeit schwerer Wirtschaftskrisen. Ihre Mobilität zeigt sich darin, dass sich Pauline Duchambge den wechselnden politischen Régimes – mit dem Zusammenbruch des Napoleonischen Reiches wurde ihre Pension gestrichen – immer wieder aufs Neue anzupassen vermochte. Als sich die Romance in Frankreich gattungsästhetisch hin zu komplexeren Klavier- und Orchesterfassungen weiterentwickelt und nach 1835 an Interesse verliert, versucht sie, im europäischen Ausland neue Absatzmärkte für ihre Kompositionen zu generieren.

Text: Dr. Nicole K. Strohmann

 
Pauline Duchambge. Zeichnung: Alphonse Sarcy. Druck: Kaeppelin, Paris, 1820. Quelle: catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb39604442n
Pauline Duchambge : La jalousie du more. Romance. Paris : Meissonnier, [ca. 1835]. Signatur: Rara/FMG NO Duchambge,P (320).7 © Archiv fmg

Zuletzt bearbeitet: 20.01.2020

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