Januar 2019

Die hier gezeigte, wohl aus Großbritannien stammende, handschriftliche Liedersammlung lässt sich zwar keiner einzelnen Person zuordnen, die es ursprünglich besessen und mit Noten und Text gefüllt hat, gewährt aber interessante Einblicke in die Musikkultur des 19. Jahrhunderts. Dass das mit einem Samteinband und Goldschnitt versehene Notenbuch durch einen Lederschuber geschützt aufbewahrt wurde, lässt auf den hohen Stellenwert schließen, den die Eigentümerin oder der Eigentümer dem Buch und der darin enthaltenen Musik beigemessen hat. Insgesamt 29 deutsche, französische, italienische und englische Lieder finden sich in der Sammlung, darunter:

  • Anton Rubinstein: „Es war ein alter König“ (aus: 6 Lieder, op. 32, 1856)
  • Charles Gounod: „Ce que je suis sans toi” (1868)
  • Giovanni Battista Bononcini: „L'esperto Nocchiero” (aus: Astrato, 1720)
  • Virginia Gabriel: „Ruby” (ca. 1865)
  • sowie insgesamt drei Songs der englischen Komponistin Charlotte Alington Barnard (1830–1869), die unter dem Pseudonym Claribel als eine der kommerziell erfolgreichsten britischen Song-Komponistinnen ihrer Zeit galt.
Claribel: Take back the heart. Erste Notenseite der gedruckten Ausgabe und Notenautograf aus der handschriftlichen Liedersammlung © Archiv fmg


Der in der handschriftlichen Liedersammlung notierte Song „Take back the heart“ von Claribel wurde erstmals 1864 in der Druckversion veröffentlicht und u.a. über die musikalische Leihbibliothek des Londoner Boosey-Verlags vertrieben. 

Die Neuerwerbung zeugt in Zusammenschau mit dem bereits seit einigen Jahren im Bestand des Forschungszentrums Musik und Gender befindlichen Notendruck von einer verbreiteten musikkulturellen Praxis des 19. Jahrhunderts: die eigenhändige (nicht immer originalgetreue, s. u.a. fehlendes Vorspiel) Abschrift entliehener Musikalien. Musikstücke, die besonders gefielen, konnten so auch nach Rückgabe der Druckexemplare an die Leihbibliotheken am heimischen Klavier gespielt werden. Handschriftliche Liederbücher wie das hier erhaltene Exemplar gewähren so Einblicke in die rege Hausmusikpraxis des 19. Jahrhunderts und lassen zudem Rückschlüsse auf zeitliche und lokale Geschmackspräferenzen und musikalische Vorlieben zu.

Konzeption: Maren Bagge und Anne Fiebig
Text: Maren Bagge

 
Anonym: Music. Handschriftliche Liedersammlung © Archiv fmg

Zuletzt bearbeitet: 20.01.2020

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