November 2019

Ethel Smyth (1858─1944): eine Komponistin und Schriftstellerin im Kampf für die Gleichberechtigung

Ethel Smyth: Female Pipings in Eden. Edinburgh : Davies, 1933. Seite 254-255. Signatur: Rara/FMG Biog Smyth,E 2.2/A © Archiv fmg


„My main argument is, that as things are to-day it is absolutely impossible in this country for a woman composer to get and keep her head above water; to go on from strength to strength, and develop such powers as she may possess.” 1933 formuliert die britische Komponistin und Schriftstellerin Ethel Smyth diese These in ihrem Buch Female Pipings in Eden. Bei diesem handelt es sich um eine Sammlung verschiedener Texte von Smyth, in welchen sie sich insbesondere mit Frauen im Bereich der Komposition und im Kampf um Frauenrechte beschäftigt. Ein besonderes Exemplar der ersten Auflage ist die Quelle des Monats November. Smyth kommentiert, ändert und ergänzt im Jahr 1934 in diesem, ihrem persönlichen Exemplar, die Texte für die zweite Auflage.  

Im April 1858 in die britische Bürgerschicht hineingeboren, kämpft Ethel Smyth um die Möglichkeit einer professionellen musikalischen Ausbildung. 1877 beginnt sie gegen den Widerstand ihrer Eltern ein Musikstudium in Leipzig und schafft in den folgenden Jahren ein großes, vielseitiges kompositorisches Œuvre. Schnell wird ihr deutlich, wie schwer es als Komponistin ihrer Zeit ist, dieses Œuvre in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Daher ist es Smyth besonders wichtig sich für die gleichberechtigte Anerkennung weiblicher Kunstschaffender einzusetzen und selbst als professionelle Komponistin wahrgenommen zu werden. Allen Widrigkeiten zum Trotz gelingt es ihr, viele ihrer Werke im In- und Ausland zur Aufführung zu bringen. In den 1910ern tritt sie der WSPU (Women’s Social and Political Union) bei und engagiert sich zwei Jahre aktiv in der Suffragettenbewegung. Im Zuge dessen entwickelt sich eine enge Freundschaft zu Emmeline Pankhurst.  Deren Mut und radikaler Kampf für die Frauenrechte inspiriert Smyth und regt sie zu aktivem Handeln an. Während des ersten Weltkrieges beginnt Smyth als Autorin tätig zu werden. Ihre erste Autobiographie Impression that Remained wird durch ihren offenen und direkten Stil überaus positiv aufgenommen. Im Zuge zunehmender Hörprobleme, die letztendlich 1939 zur vollständigen Ertaubung Smyths führen, ermöglicht das Schreiben eine neue Art des Ausdrucks. Ihre zu großen Teilen autobiographischen Werke sind ein Spiegel für die gesellschaftlichen Thematiken der Zeit. 1930 lernt Smyth Virginia Woolf (1882–1942)kennen und es entwickelt sich eine enge Freundschaft, die zu beidseitiger Inspiration führt. Woolfs Gedanken zu Frauen als Autorinnen aus ihrem Essay A Room of One’s Own überträgt Smyth in gewisser Weise auf den Bereich der Komposition.

In Female Pipings in Eden thematisiert Smyth 1933 im ersten Abschnitt des Buches ebendiese Unterschiedene und Gemeinsamkeiten von Frauen in Komposition und Autorschaft. Smyth nennt Vorteile der Veröffentlichung von Texten gegenüber Kompositionen. Bei Literatur stehe nur der Verleger zwischen einem selbst und dem Publikum, es sei günstiger und auch bei schlechten Kritiken hätten alle die Chance sich selbst eine Meinung zu bilden. Andere Themen innerhalb dieses ersten Abschnittes, bestehend aus unterschiedlichen von Smyth verfassten Texten, sind „Recollections of Brahms“, „Delirious Tempi in Music“, aber auch eine von ihr an einer Mädchenschule gehaltene Rede. Verbindend wirkt die einleitend zitierte These, die den Blick auf die ungleichen Möglichkeiten für Männer und Frauen lenkt. Der zweite Abschnitt des Buches bietet Raum für mehrere Kurzgeschichten. 

Nun zu der Besonderheit in dem hier betrachteten Exemplar des Buches. Die handschriftlichen Notizen von Smyth bestehen in diesen ersten zwei Abschnitten hauptsächlich aus kleineren Korrekturen einzelner Wörter. Tippfehler, vereinzelte unscharfe Formulierungen und kleinere Ungenauigkeiten werden angemerkt. Im dritten Abschnitt ändert sich dies. Smyth bearbeitet große Abschnitte, überklebt Teile des Textes und ergänzt ganze Seiten, in denen sie die beschriebenen Geschehnisse konkretisiert. Smyth schreibt in diesem Teil des Buches autobiographisch über ihre prägende Beziehung zu Emmeline Pankhurst. Die Jahre dieser Freundschaft von 1910 bis zu Pankhursts Tod 1928 werden aus der Erinnerung und durch Briefe rekonstruiert. Die Schwierigkeiten des Verfassens eines Textes im Gedenken an eine Freundin zeigt sich durch die vielen Korrekturen. Das am Anfang der Quelle eingeklebte neue Vorwort für die zweite Auflage bildet ein an Smyth herangetragenes Anliegen von Christabel Pankhurst, Emmeline Pankhursts Schwester, ab, die Smyth fehlendes Copyright der Briefe vorwarf. Dies regt Smyth ebenfalls zu genaueren Erläuterungen einiger Briefe an. In den Korrekturen wird deutlich, wie wichtig Smyth eine zutreffende und umfangreiche Darstellung ihrer Beziehung zu Pankhurst und deren Leben während ihrer Freundschaft ist. Gleichzeitig zeigen die Änderungen ihre persönliche Einbindung und emotionale Nähe zu den Geschehnissen und der autobiographische Stil bringt die Subjektivität der Darstellungen und der Deutung der vorhandenen Briefe stets ins Bewusstsein.

Die Quelle zeigt welche Bedeutung und welchen Raum das Schreiben im Leben der Komponistin Ethel Smyth einnahm und mit welcher Intensität sie ein Jahr nach der Veröffentlichung an ihrem Buch weiterarbeitete.

Text: Leonie Koch

 
Ethel Smyth. Kreidezeichnung von John Singer Sargent, 1901 (National Portrait Gallery (London))

Zuletzt bearbeitet: 20.01.2020

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