Juli/August 2023

„I have just returned from a concert tournée […]“. Mobilität der Pianistin Agathe Backer-Grøndahl

Wie viele ihrer Zeitgenossinnen begab sich auch die 1847 im norwegischen Holmestrand geborene Agathe Ursula Backer für ihre musikalische Karriere mehrfach auf Reisen durch Europa. Nachdem sie zunächst in Kristiania (heute: Oslo), wohin die Familie 1857 gezogen war, Klavierunterricht erhielt und später auch in Musiktheorie und Komposition unterrichtet wurde, ging die junge Pianistin für ihre weitere Ausbildung ab 1864 für mehrere Jahre an das Kullak'sche Konservatorium in Berlin. Es folgten Studienaufenthalte in Florenz (1871) und Weimar (1873). Parallel begann sie ihre intensive Konzerttätigkeit, die sie u.a. nach Deutschland, Dänemark und Schweden führte. Auch in den kommenden Jahren und nach der Heirat mit dem Dirigenten und Gesanglehrer Olaus (Olam) Andreas Grøndahl unternahm sie – von ihrem „Lebens- und Wirkungsmittelpunkt Kristiania“ (siehe https://mugi.hfmt-hamburg.de/receive/mugi_person_00000035) aus – zahlreiche Konzertreisen, die sie durch große Teile Nord- und Mitteleuropas führten. So konzertierte sie etwa in Finnland und trat im Rahmen der Weltausstellung 1889 in Paris auf.

Im Dezember 1889, so ist es dem hier vorliegenden Brief zu entnehmen, der auch über die digitalen Quellen des fmg einzusehen ist, war sie gerade wieder von einer Tournee in Kopenhagen und Schweden zurückgekehrt.

Die 42-jährige Pianistin beauftragt den nicht näher benannten Adressaten mit der Organisation einer weiteren Konzertwoche in Schottland. Neben dem Zeitraum („it would suit me best the last week of March“) und ihren Gehaltsvorstellungen („My terms should be 15 guineas the evening“) teilt sie dem Briefpartner auch ihre bevorzugten Mitmusiker*innen mit: den Dänischen Violinistin Johannes Wolff und eine nicht näher genannte Miss Petterson – vermutlich die im schottischen Dundee ansässige gebürtige Norwegerin Ingeborg Resch Petterson.

Brief von Agathe Backer-Grøndahl an einen nicht genannten Adressaten. Christiania, 9.12.1889, Rara/FMG Backer-Grøndahl,A.1© Archiv fmg

Darüber hinaus sendet sie, so geht es aus dem Brief hervor, einige Kritiken aus London und Paris mit, vermutlich mit der Intention, durch das Zirkulieren dieser vor Ort für ihre kommenden Konzerte zu werben.

„I enclose some critics [sic] from London and Paris asking you to be so kind and return them when used. […]
I am obliged to send a norwegian translation of a french critic [sic]. I am sure Miss Pettersen will be so kind to translate this for you; it ought to be mentioned, as it is very good.“



Besonders interessant – auch unter einer Mobilitätsperspektive – erscheint der Hinweis auf eine französische Kritik, die sie in einer norwegischen Übersetzung mitsendet mit dem Vorschlag, diese wiederum von Miss Pettersen ins Englische übersetzen zu lassen. Nicht nur die Pianistin, sondern auch die Kritiken sind hier also in mehrerlei Hinsicht mobil.

Wer mehr über die Pianistin und andere norwegische Künstlerinnen des 19. Jahrhunderts sowie ihre vielfältigen Formen der Mobilität erfahren möchte, dem sei der Beitrag von Lilli Mittner, Lena Haselmann-Kränzle und Janke Klok im Band Kulturelles Handeln | Macht | Mobil empfohlen.

Kulturelles Handeln, Macht, Mobil : interdisziplinäre Studien zur gender- und musikbezogenen Mobilitätsforschung / herausgegeben von Maren Bagge und Nicole K. Strohmann. - Köln : Böhlau, [2023]. - 196 Seiten. : Illustrationen, Diagramme, Notenbeispiele. ISBN 978-3-412-52609-2


Der von Maren Bagge und Nicole K. Strohmann herausgegebene und jüngst bei Böhlau in der Reihe Musik – Kultur – Gender erschienene Band widmet sich in Beiträgen aus Musik-, Literatur-Geschichts- und Kulturwissenschaft unterschiedlichen Mobilitätsformen von (musik-)kulturell handelnden Personen des 17. bis 21. Jahrhunderts und behandelt gleichzeitig auch epistemologische Fragen, indem er die drei Kategorien Musik, Gender und Mobilität zusammendenkt. So nimmt der Sammelband neben der räumlich-geografischen Mobilität u.a. soziale und mentale Formen von Mobilität in den Blick und lotet gleichzeitig den Transfer jener ursprünglich in den Sozial- und Geschichtswissenschaften angesiedelten Mobilitätsforschung auf das Fach Musikwissenschaft aus.

Text: Dr. Maren Bagge (Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungszentrum Musik und Gender der HMTMH)

 
Porträt von Agathe Backer-Grøndahl, [o.O.], [um 1890]. Fotografie: L. Szacinski. Quelle: digitaltmuseum.no/011014858355/agathe-backer-grondahl

Zuletzt bearbeitet: 07.09.2023

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