Februar 2024

Marie Krebs – geographische Mobilität einer Pianistin

Marie Krebs (1851–1900) - eine viel gefeierte Pianistin, die mit Personen wie Clara Schumann oder Joseph Joachim auftrat und beispielsweise mit Adelinea Patti gemeinsam durch Frankreich, Italien und England tourte.

Schon innerhalb eines einzigen Briefes bildet sich die große geographische Mobilität der Pianistin exemplarisch ab. Marie Krebs die für einzelne Konzerte sowie ganze Tourneen durch Europa und die USA reiste, hielt sich zum Zeitpunkt des Verfassens des hier betrachteten Briefes in London auf. In dem Brief notiert sie, dass sie sich voraussichtlich ab dem 4. April 1876 wegen eines Konzertes am 5. April, in Prag aufhalten werde - jedoch nur für kurze Zeit. Die Aussage impliziert, dass ein längerer Aufenthalt grundsätzlich und unter anderen Umständen in Frage käme und gegebenenfalls erwünscht gewesen wäre.

Grund ihrer zügigen Abreise sei jedoch ein Konzert in London bei den Monday popular concerts, für das sie am "bereits am 7. April - spätestens 8. früh morgens wieder" in London sein müsse.

 

Marie Krebs an Herrn Kiché, 08.03.1876, London, Rara/FMG Krebs,M.1 © Archiv fmg.

 

Berufliche Dinge, wie das Spielen von Konzerten, sind folglich, und erwartbarer Weise, Gründe für die geographische Mobilität einer auftretenden Musikerin.

Neben dem damit unter anderem verbundenen Konzert(tour)management, wird auch die Bedeutung der Entwicklung von schnellen und zuverlässigen Reiserouten deutlich. Und dies nicht nur exemplarisch bei der Rückreise nach London, auch die Anreise nach Prag ist zeitlich genau getaktet. Eine frühere Anreise sei ausgeschlossen - in diesem Fall jedoch nicht aus beruflichen, sondern privaten, familiären Gründen. Marie Krebs, geboren als Tochter der Sängerin Aloysia Michalesi (1826–1904) und des Komponisten und Dirigenten Karl August Krebs (1804–1880), wurde von ihren Eltern intensiv gefördert und spielte bereits 1862 ihr erstes öffentliches Konzert. Auch 1870 begleitete Aloysia Michalesi ihre Tochter beispielsweise auf einem Teil ihrer Tour durch die USA. Krebs gelang die Entwicklung vom Wunderkind zu einer erwachsenen, hoch angesehenen Pianistin. Ihr Vater war langjähriger Kapellmeister in ihrem Geburts- und Sterbeort Dresden und hiermit in Verbindung steht auch Krebs' Erklärung, warum sie nicht früher nach Prag reisen könne: sie sei vorher in Dresden, "für Papas fünfzigjähriges Kapellmeister Jubiläum". Und selbst dort käme sie "auch erst im letzen [sic] Moment" an.

 

Marie Krebs an Herrn Kiché, 08.03.1876, London, Rara/FMG Krebs,M.1 © Archiv fmg.

 

Von wo aus sie dorthin reiste, bleibt offen, es spiegelt aber ihre große berufliche wie private Eingebundenheit und die damit notwendig werdenden Ortswechsel wieder. Marie Krebs zeigt sich als vielbeschäftigte und vielreisende Person, deren geographische Mobilität beispielhaft für die große geographische Mobilität von Pianistinnen (und Musikschaffenden allgemein) im ausgehenden 19. Jahrhundert steht.

Text: Leonie F. Koch (Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungszentrum Musik und Gender)

 
Marie Krebs an Herrn Kiché, 08.03.1876, London, Rara/FMG Krebs,M.1 © Archiv fmg.

Zuletzt bearbeitet: 19.03.2024

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