Januar 2024

Emma Koch (1860-1945) – Pianistin und moderne Tourmanagerin

Emma Koch (1860-1945) war eine erfolgreiche Pianistin. 1860 in Mainz geboren, wurde sie zunächst von ihrer Mutter am Klavier unterrichtet, ging aber bereits mit 13 Jahren nach München und erhielt dort ihre weitere musikalische Ausbildung an der Musikschule bei Carl Baermann (1839–1917). Früh zeigte sie sich unabhängig und zielstrebig, weshalb sie zur weiteren Ausbildung nach Berlin ging um dort bei Xaver Scharwenka (1850–1924) Unterricht zu erhalten. Außerdem besuchte sie Meisterklassen von Franz Liszt (1811-1886) in Weimar. 1880 begann sie ihre professionelle Konzerttätigkeit, welche sie neben Deutschland auch in Polen, Belgien, Russland und Holland ausübte. Da Musiker:innen Ende des 19. Jahrhunderts selten direkt bei Orchestern oder anderen musikalischen Institutionen angestellt waren, organisierte sie – um ihre Karriere und Bekanntheit nach vorne zu bringen – ihre Konzertreisen selbst und auf eigenes Risiko. In vielen Fällen wurden diese organisatorischen Aufgaben von einem Verwandten getätigt, der anfallende Management-Aufgaben wie Gagenverhandlung oder allgemeine Organisatorische Abläufe übernahm. Oft war dies bei weiblichen Künstler:innen ein männlicher Angehöriger, beispielsweise der Vater oder Ehepartner. Da Emma Kochs Vater Bankdirektor war, wurde sie möglicherweise finanziell unterstützt, aber von organisatorischer Hilfe ist nichts bekannt, da er aus beruflicher Sicht auch auf kein musikalisches Netzwerk hätte zurückgreifen können. Entsprechende organisatorische Aufgaben übernahm Emma Koch demnach selbst, wie die zwei im fmg archivierten Quellen von Emma Koch zeigen.

Beide vorliegenden Briefe von Emma Koch sind adressiert an Oskar Eichberg (1845-1898) – Director des Conservatoriums in Berlin. In beiden Briefen geht es um Informationen, die Emma Koch ihm bezüglich anstehender Konzerte mitteilte.

Im Brief des 09.01.1891 schreibt Emma Koch von einigen anstehenden Konzerten, unter anderem mit dem Geiger Joseph Joachim (1831-1907). Darin berichtet sie Eichberg auf seinen Wunsch hin von Konzerteinladungen und Konzertorten, die sie bespielte. Interessant ist dabei der letzte Satz „(Einladungen nach kleineren Städten thue ich nicht Erwähnung.)“, der auf eine umfangreiche Konzerttätigkeit seitens Emma Koch hinweist, die strategisch auf karrierefördernde Konzertorte abzielt. Außerdem weist es auf eine erfolgreiche Tätigkeit hin, da sie offenbar bereits auswählen kann, an welchen Orten sie auftritt und an welchen nicht.

 

Signatur: Rara/FMG Koch,E.1/1 © Archiv fmg

 

Inwiefern diese Annahme mit dem zweiten Brief vielleicht wieder etwas revidiert werden kann, lässt sich folgendermaßen erklären:

In einem Brief vom 09.02.1891 – also einen Monat nach dem ersten, schreibt Emma Koch an Oskar Eichberg, dass sie sich kurzfristig für eine Änderung des Konzertprogramms entscheidet:

„Es ist Ihnen

hoffentlich nicht unangenehm, wenn ich

anstatt des angegebenen Andante u. Polonaise

v. Chopin -

1. Des Abends v. Schumann u.

2. { Scherzo v. Mendelsohn [!]

am 17. spielen werde. Die andre Num̄er

bleibt. Der Flügel v. Blüthner ist besorgt.“

 

Signatur: Rara/FMG Koch,E.2 © Archiv fmg

 

Sie begründet dabei weder ihre Entscheidung noch erläutert sie, weshalb sie es für nötig erachtet Oskar Eichenberg darüber zu informieren. Da Oskar Eichberg mit „Director des Conservatoriums“ angesprochen wird und sie ihn über die Änderung entsprechend informiert, findet vielleicht ein Konzert am Conservatorium statt. Dass sie hofft, diese Entscheidung sei für ihn nicht unangenehm, lässt eine Mitverantwortung Eichbergs beim kommenden Konzert möglich erscheinen.

Die Konzertszene im 19. Jahrhundert war zu diesem Zeitpunkt bereits weitestgehend professionalisiert. Agenturen und Agenten arbeiteten mit Künstler:innen und Häusern zusammen und Konzertprogramme standen schon häufig weit im Voraus fest. Es lässt sich aber nur mutmaßen, ob beispielsweise der Veranstalter oder eben sie selbst diese Programmänderung angestoßen hat. Dass eine Programmänderung so kurzfristig noch möglich ist, könnte ein Hinweis darauf sein, dass das Konzert in keinem größeren, institutionellen Rahmen stattfindet. Der letzte Satz des Briefes in Bezug auf die Bestellung des Flügels, zeigt zudem ihre eigene organisatorische Leistung in Bezug auf ihre Konzerte. Außerdem kann es den Verdacht untermalen, dass der angesprochene Konzertort nicht standartmäßig mit einem Flügel ausgestattet ist, was einen professionellen Konzertsaal eher ausschließt, wenn gleich es auch auf ihren hohen Anspruch bei der Wahl des Instrumentes und die daraus resultierende Organisation eines passenden Flügels hindeuten kann.

 

Emma Kochs Eigenständigkeit schien beide entscheidenden Tätigkeiten als erfolgreiche Künstlerin, also das Kreative und Organisatorische gut zu vereinen, was dem Künstler:innenbild des 19. Jahrhunderts teilweise in Bezug auf den sogenannten Geniekult zu widersprechen scheint. Gleichzeitig zeigt es die Notwendigkeit und Möglichkeit der Selbstverwaltung als Musikerin um 19. Jahrhundert. Ihre Fähigkeiten ließen sie erfolgreich durch Europa verreisen und konzertieren. Neben ihrer Konzerttätigkeit, betätigte sie sich außerdem als Lehrerin und Prüfungskommissarin. Ihre berufliche Breite und ihr Erfolg lassen sich dabei vermutlich nicht ganz ungeachtet auch damit begründen, dass sie bis an ihr Lebensende ledig blieb.

 

Text: Mareike Röhricht (Studentin im Studiengang Musikwissenschaft und Musikvermittlung)

 
Signatur: Rara/FMG Koch,E.2 © Archiv fmg

Zuletzt bearbeitet: 13.02.2024

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