November 2024
Transkription der Postkarte
"Sehr geehrter Herr Urbanak -
hatte ich nicht recht in Ihrem Worte zu zweifeln, als Sie mir Engagements versprachen! Ich hatte bereits 15 Concerte in dieser Saison, Mittwoch in Dresden - das 16te. Am 26. Februar spiele ich mit dem Brüssler Str.-Quartett in Prag. Könnten Sie nicht vielleicht Etwas für mich Thuen? Sie wissen ich bin nicht anspruchsvoll im Honorar - freue mich jeder guten Gelegenheit öffentlich zu spielen um bekannt zu werden.
Ich bin ausserordentlich zufrieden mit dieser Saison, habe auch brillante Aussichten.
Auf Wiederschauen, jedenfalls freue ich mich Prag mit seinen liebenswürdigen Einwohnern wiederzusehen. Vera Maurina"
Vera Maurina
Die hier vorliegende Postkarte wurde am 13.12.1903 aus Halensee (Berlin) verschickt. Adressiert ist sie an den Musikverleger Mojmir Urbánek (1873-1919).
Die Pianistin Vera Maurina (verh. Maurina-Press) (1851-1916) schreibt in der Postkarte über ihre Konzerttätigkeit. Die Pianistin berichtet von ihren aktuellen Konzerten und nutzt dies als Einleitung, um die Vermittlung weiterer Konzerte durch Urbánek zu bitten.
Beigelegt ist eine Kritik über eine Veranstaltungsreihe in Odessa aus dem Jahr 1901, erschienen in "Signale für die musikalische Welt". Diese berichtet von einem Konzert, bei dem Maurina als Pianistin am D-Dur Trio von Johannes Brahms beteiligt gewesen sei. Mit wem sie gemeinsam spielte, wird nicht gesondert hervorgehoben.
Maurina war langjährig mit ihrem Klaviertrio vor allem in Moskau sowie zwischen 1906 und 1914 in Berlin tätig. Das Trio, bestehend aus ihr selbst (Klavier), ihrem Mann Michael Press (Violine) und dessen Bruder Joseph Press (Violoncello), konzertierte darüber hinaus auch international. (Das Trio erwähnt Wiebke Rademacher in ihrem Buch "Jenseits der Konzertsäle. Klassische Musik für breite Bevölkerungsschichten in Berlin um 1900" 2003 in einer Fußnote, S. 122.) Die Kritik nennt die beiden Musiker aber nicht und Maurina war, wie auch in der Postkarte deutlich wird, auch unabhängig von diesem Trio als Pianistin tätig.
Die Quelle zeigt die aktive und eigenständige Konzertorganisation von Musikerinnen um 1900. Das umfasst u.a. die selbstständige Verhandlung der Honorare sowie Werbung in Form von mitgeschickten Kritiken und Berichten über die Konzerttätigkeit. Es spiegelt außerdem die Bedeutung und Abhängigkeit von guten Beziehungen und Netzwerken, durch die Konzerte möglich gemacht und Karrieren ausgebaut werden können - "[ich] freue mich jeder guten Gelegenheit öffentlich zu spielen um bekannt zu werden."
Ob es zu den gewünschten Konzerten kam und wie Vera Maurinas Karriere im Detail weiter verlief, bleibt genauer zu erforschen.
Leonie F. Koch (Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungszentrum Musik und Gender)
Zuletzt bearbeitet: 27.11.2024
Zum Seitenanfang