Februar/März 2025

Pianistin auf Reisen

Die Quellen des Monats Februar/März gibt Einblicke in Clara Schumanns Alltag auf Konzertreisen.

Auch Clara Schumann, eine der bekanntesten Klaviervirtuosinnen des 19. Jahrhunderts, war als Berufspianistin viel auf (Konzert-)Reisen. Die beiden Briefe, die als Quelle des Monats März ausgewählt wurden, gewähren unterschiedliche Einblicke in das Leben von Clara Schumann. Der eine Brief ist ein Empfehlungsschreiben aus dem Jahr 1861, der andere eine Antwort an den Dirigenten August Manns aus dem Jahr 1887. Bei der gemeinsamen Betrachtung beider Quellen offenbart sich die Perspektive der Mobilität als gewinnbringend, insbesondere im Zusammenhang mit musikbezogenen Netzwerken. Die beiden Briefe stellen, wenngleich nur implizit, die Netzwerke Clara Schumanns dar, und können als Illustration dieser betrachtet werden.

Konzertreisen waren ein fester Bestandteil von Clara Schumanns 71-jähriger Konzerttätigkeit. Schon als sogenanntes Wunderkind führte ihr Vater sie auf verschiedene Konzertreisen, unter anderem nach Wien (1837) und Paris (1830). Diese Reisetätigkeit setzte sich auch in den Jahren als junge Frau vor ihrer Eheschließung mit Robert Schumann fort. Die vielen Konzertreisen in ihre nähere Umgebung blieben ebenfalls ein wichtiger Teil ihrer Karriere. Während der Ehejahre schränkte Clara Schumann auf Wunsch Roberts ihre Konzerttätigkeit auf das Notwendigste ein. Trotzdem führten sie Konzertreisen in die nordischen Länder (1842) und bis nach Russland (1844). Neben der privaten Problematik, dass Clara nur eingeschränkt üben konnte und ihre Auftritte eigentlich nicht in Roberts Sinne waren, war ihre Konzerttätigkeit aus finanziellen Gründen für die Familie Schumann in den Jahren 1850- 1856 wichtig. Nach der Einweisung Robert Schumanns in Endenich (1854) und dem damit verbundenen Wegfall seines Einkommens war Clara Schumann aus monetären Gründen dazu gezwungen, vermehrt Konzertreisen zu tätigen. Eine der ersten führte sie unter anderem nach London. In England fand Clara Schumann ein großes und begeistertes Publikum vor. Insgesamt unternahm sie 19 Konzertreisen nach England (1856- 1888). Zu Beginn konzertierte Clara in ganz Großbritannien, von London ausgehend, unternahm sie achtwöchige Reisen unter anderem nach Edinburgh und Manchester. Später verkürzte Sie die Dauer ihre Aufenthalte auf sechs Wochen und konzertierte nur noch in London. Bekannt wurde sie vor allem für ihre Konzerte im Chrystal Palace und den „Popular Concerts“ mit August Manns, in der St. James Hall.

„London d.17ten März / Geehrter Herr Manns,…", Signatur: Rara/FMG Schumann,C.4 © Archiv fmg

 

Die erste Quelle von 1887, ist eine Antwort an den befreundeten Dirigenten August Manns. Clara Schumann erklärt ihre Ablehnung eines Konzerts aus körperlichen Gründen. Darüber hinaus wird in dieser Quelle der Empfänger daran erinnert, dass es das Versprechen gab, die erste Sinfonie von Bernhard Scholz gemeinsam aufzuführen. Der Absendeort dieses Briefes ist London, er wurde laut Datum auf dem Brief am 17. März verfasst, in Bleistift wurde 1887 hinzugefügt, die Adresse 42. Hyde Park Gate SW befindet sich auf der Rückseite des Briefes. Wie eingangs erwähnt, bietet sich die Betrachtung der dargestellten Netzwerke an. Der Adressat des Briefes, August Manns, war Dirigent in London und arbeitete hauptsächlich mit einem Orchester im Chrystal Palace, einem der wichtigsten Konzertsäle Londons. Clara Schumann trat dort, wie auch in der St. James Hall, auf Anraten Joseph Joachims nicht nur als Solistin, sondern auch in kammermusikalischen Zusammensetzungen auf. Bernhard Scholz, der Komponist der ersten Sinfonie, die zwei Jahre später von Manns aufgeführt wurde, war Direktor des Hoch'schen Konservatoriums in Frankfurt am Main. Dort unterrichtete Clara Schumann von 1878 bis zu ihrem Tod 1891.

Die andere Quelle, ist ein Empfehlungsschreiben für Viktor van Hoorde an den Kapellmeister Julius Rietz. Entstanden ist dieser Brief laut Datum am 3. April 1861 in Brüssel. Über Viktor van Hoorde lassen sich nicht viele Informationen recherchieren. Julius Rietz war zu der Zeit Kapellmeister in Dresden. Clara Schumann kannte ihn nicht nur über ihren Mann, Robert Schumann, dessen Werke er ursprünglich edieren sollte, sondern auch als Lehrer ihres jüngeren Halbbruders Woldemar Bargiel. In diesem Schreiben kristallisiert sich die Ermöglichung von Mobilität (für van Hoorde) durch den Zugang zu Julius Rietz (mittels Schumann) und dem mit ihm assoziierten Musiker*innen-Netzwerk (u.a. Pauline Viardot-Garcia Ferdinand Hiller und Ferdinand David, Nils Gade) heraus.

Die Gattung der Empfehlungsschreiben ist aus musikhistorischer Sicht generell interessant, bietet sie doch Einblicke in die Zugänge zu Institutionen und Netzwerken und zeichnet diese über die verschiedenen Empfänger sowie Schreiber nach. Auch wenn dieses Dokument in erster Linie die Empfehlung von Viktor van Hoorde behandelt, kann aufgrund des Ortes und des Datums davon ausgegangen werden, dass das Empfehlungsschreiben während Clara Schumanns Konzertreise in Belgien verfasst wurde.

 

Brüssel d.3 April 1861, Signatur: Rara/FMG Schumann,C.2 © Archiv fmg

 

Im März und April des Jahres 1861 weilte Clara Schumann für einen Zeitraum von mehreren Wochen in Belgien. Während dieser Zeit gab sie Konzerte in Antwerpen, Mons, Brüssel und Gent. In Brüssel verweilte sie besonders lange und gab insgesamt vier Konzerte, zwei im März und zwei im April. In diesem Kontext ist auch der vorliegende Brief zu verorten. (vgl. dazu de Vries, 1996, S. 353)

Die beiden betrachteten Quellen beziehen sich in unterschiedlicher Darstellung auch auf verschiedene Details aus Clara Schumanns Reiseleben: In dem Brief an August Manns werden neben dem pianistischen Teil der Konzertreise, in dem sie vor allem Einblicke in die Veränderung ihrer pianistischen Laufbahn durch die Erkrankung ihrer Hände und Unterarme gibt - „Ich spiele schon lange nicht mehr zwei Tage hintereinander" - auch wichtige Netzwerke wie die Verbindung über August Manns zu Bernhard Scholz und dem Hoch‘schen Konservatorium in Frankfurt dargestellt. Mit der oben genannten Grundannahme, dass auch die zweite Quelle auf einer Konzertreise entstanden sein muss, bietet sie weitere Einblicke in den beruflichen Alltag auf Reisen. Wie z.B. de Vries (S. 224) darstellt, unterrichtete Clara Schumann nicht nur in den Pausen ihrer Konzertreisen, sondern immer auch an den Konzertorten (vgl. dazu auch Klaasen 2009). Dies lässt sich nach de Vries besonders für England nachweisen, was sich in der hohen Zahl angelsächsischer Studierender in ihrer Frankfurter Klasse niederschlug.

Konzertreisen Clara Schumanns, wie sie sich anhand dieser beiden Quellen nachvollziehen lassen, bedeuten also nicht Hinreise - Proben - Konzerte - Rückreise, sondern sind geprägt von vielfältigen beruflichen Aktivitäten und gesellschaftlichen Verpflichtungen wie den erwähnten Unterrichtsstunden oder der Kontaktpflege. Somit ergänzen die Quellen des Monats März auf erhellende Weise die von de Vries zitierten Berichte von Schülerinnen über Clara Schumanns Aufenthalte in London. Die Quellen des Monats März deuten darauf hin, dass die verschiedenen Aktivitäten nicht nur für die englischen Konzertreisen typisch waren.

Text: Rebecca Menze (Studentin Musikwissenschaft und Musikvermittlung)

 

Literatur

• Borchard, Beatrix (2015): Clara Schumann - Ihr Leben. Eine biographische Montage; mit einem Essay der Autorin "Mit Klebstoff und Schere". 3., überarb. und erw. Aufl. Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag.

• Borchard, Beatrix; Draheim, Joachim (2019): Clara Schumann. Musik als Lebensform: neue Quellen - andere Schreibweisen. Zweite, revidierte Auflage. Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag.

• Klassen, Janina (2009): Clara Schumann. Musik und Öffentlichkeit. Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag (Europäische Komponistinnen, Band 3).

• Vries, Claudia de (1996): Die Pianistin Clara Wieck-Schumann. Interpretation im Spannungsfeld von Tradition und Individualität. Zugl.: Zürich, Univ., Diss., 1992-1993. Mainz: Schott (Schumann-Forschungen, 5).

 

 

 

 

Zuletzt bearbeitet: 31.03.2025

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