Hedwig Reicher-Kindermann, Brünnhilde
Handlung und Rollenbeschreibung: Brünnhilde
Götterdämmerung, 4. Teil der Tetralogie Der Ring des Nibelungen
Musik: Richard Wagner
Libretto: Richard Wagner
Uraufführung: 17. August 1876
Handlung
Ein Ring, der dem Träger alle Macht gewährt. Um ihn spannt sich die Geschichte. Der Ring wird vom bösen Gott Alberich verflucht, sodass er dem Träger nicht mehr Macht, sondern Sorge und Tod bringt – trotzdem solle jeder nach ihm dürsten, sodass er mit seinen Besitzerwechseln eine Spur von Streit und Blut nach sich zieht. Der Fluch ist gebrochen, wenn die Rheintöchter, denen der Ring ursprünglich gehört, den Ring zurückbekommen.
Erklärt wird dies in den Opern, die der »Götterdämmerung« vorangehen. Wagner hat hier einen ganzen Opernzyklus bestehend aus vier Opern geschrieben: »Das Rheingold«, »Die Walküre«, »Siegfried«, und schlussendlich »Götterdämmerung«. Alle Opern zusammen bilden den Zyklus »Der Ring des Nibelungen«.
Brünnhilde ist eine Tochter des obersten aller Götter, Wotan. Durch eine Rebellion gegen ihren Vater erhält sie die Strafe, auf einem Berg schlafen zu müssen, bis ein mutiger Mann – Siegfried, der zu diesem Zeitpunkt im Besitz des Rings ist – sie erlöst und zur Frau nimmt. Nach einiger Zeit zieht Siegfried wieder in die Welt hinaus – als Zeichen seiner Liebe überreicht er Brünnhilde den Ring.
Zur gleichen Zeit leben am Hofe König Gunther, seine Schwester Gutrune und Halbbruder Hagen. Hagen fädelt einen Plan ein, den Ring von Siegfried zu bekommen, unter dem Deckmantel, seine Geschwister vermählen zu wollen. Gunther soll »das herrlichste [Weib] der Welt«, Brünnhilde, bekommen. Gutrune soll Siegfried bekommen, der mit einem Vergessenstrank seine eigentliche Frau Brünnhilde vergessen soll. So soll Gunther den Ring bekommen, den Hagen ihm abnehmen will.
Der Plan gelingt. Am Hofe wird eine Doppelhochzeit gefeiert. Siegfried erkennt Brünnhilde nicht mehr, doch diese ist tief getroffen. Sie will Rache an Siegfried und verrät Hagen dessen Schwachstelle.
Hagen tötet Siegfried und verlangt als Lohn den Ring. An dieser Stelle erkennt Brünnhilde die Zusammenhänge und will Siegfried in den Tod folgen und den Fluch des Ringes brechen. Sie lässt einen Scheiterhaufen errichten und reitet mit ihrem Pferd in die Flammen.
Die Rheintöchter erlangen den Ring zurück und die Burg der Götter brennt nieder – der Beginn einer neuen Weltordnung.
Rollenbeschreibung
Brünnhilde macht innerhalb der Tetralogie eine interessante Entwicklung durch. Sie wandelt sich vom ‘Gottestöchterlein’ zu einer Sterblichen, von einer Prinzessin, die vom Mann gerettet werden muss, zu einer emanzipierten Frau. In der »Götterdämmerung« ebnet sie die Wege für eine neue Weltordnung und widersteht den Verlockungen des Rings, dem alle anderen verfallen, und bricht seinen tödlichen Fluch, indem sie heldenhaft auf ihrem Pferd in das Feuer des Scheiterhaufens reitet. Auch bei Wagners anderen Opern, ganz zu schweigen von Opern im geschichtlichen Gesamtkontext, übernehmen sonst Männer diese Rolle.
»Die Brünnhilde vom Ende des Rings gehört in eine Reihe mit Jeanne d’Arc: als eine Frau, die das emanzipatorische nicht patriarchalische Kollektiv anführt.« (Siavoj Zizek, die ZEIT)
»Im Gegensatz zu Hebbel macht Wagner aus der Brünnhilde-Geschichte keinen Geschlechterkampf, sondern eine Auseinandersetzung mit dem Männlichkeitsideal. Gunther und Siegfried sind bei ihm eindeutig nicht im Recht« (Doris Schweitzer, »Weibes Wonne und Wert«)
Personen- und Exponatbeschreibung
»Hedwig Reicher-Kindermann war die größte dramatische Sängerin der zweiten Hälfte ihres Jahrhunderts ... Ihre Brünnhilde, ihre Erda, Fricka, Ortrud, ihre Leonore und Eglantine und, nicht zu vergessen, ihre Carmen habe ich in den langen Jahrzehnten meiner Tätigkeit und Erfahrung von keiner Künstlerin vor oder nach ihr jemals auch nur annähernd mit so vollendeter Wirkung zur Geltung bringen sehn«.
Neumann, Angelo. Erinnerungen an Richard Wagner. Leipzig: L. Staackmann, 1907.
Dies schreibt Angelo Neumann über Hedwig Reicher-Kindermann in einem Aufsatz zum Gedenken an Richard Wagner aus dem Jahr 1907. Der Wagner-Kult ist nämlich ein Phänomen, der seinen Ursprung in der Uraufführung der Musikdramen des Komponisten hat, sich aber bis in die Gegenwart erstreckt.
Ein Beispiel für diese Wagner-Leidenschaft ist der Band mit diesem Porträt von Reicher-Kindermann in der Rolle der Brünnhilde, der ein Jahr nach dem Tod des Komponisten – also 1884 – veröffentlicht wurde. Es handelt sich um einen Band mit Lithografien von neun der bedeutendsten weiblichen Figuren in Wagners Opern und Musikdramen, die von »berühmte[n] Wagner-Sängerinnen« – so der Untertitel des Bandes – aufgeführt wurden. In diesem Fall ist es klar, dass die Sängerinnen (als Frauen) eine wichtige Rolle in den Porträts spielen, aber die verschiedenen Fotografien befinden sich in einem Band, der Wagner gewidmet ist. Derartige Publikationen richteten sich in erster Linie nicht an Fans der Sängerinnen, sondern an »Wagnerfreunde« und waren für diese »Andenken von dauerndem Werth«, so ein Inserat im Richard Wagner Jahrbuch von 1886.
Der Band ist damit ein Beispiel für den damaligen Wagnerismus, den man als ein Universum verstehen kann, dessen Zentrum Richard Wagner, sein Werk und die Bayreuther Festspiele sind; und alle anderen Elemente – einschließlich der in diesem Band fotografierten Sängerinnen – sind die Himmelskörper, die dieses Zentrum umkreisen. Derzeit stellt die neue Genderforschung jedoch diese Wagner-Zentrierung in Frage, da diese Ansätze »Wagner unkritisch in den Mittelpunkt stellen und die Frauen um ihn herumgruppieren, anstatt sie als eigenständige Wesen wahrzunehmen« (Rieger, 2019).
Ausgewählte Literatur
Rieger, Eva. »Richard Wagner«, MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard und Nina Noeske, Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003ff. Stand vom 25.3.2019,
Vomberg, Elfi. Wagner-Vereine und Wagnerianer heute. Würzburg: Königshausen u. Neumann, 2018.
Zuletzt bearbeitet: 28.01.2021
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