Whisky trifft auf Wohltätigkeit. Wissensräume um die Sängerin Jenny Lind (2023/2024)

Ausstellung in der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek
Kuratiert von Dr. Maren Bagge und Univ.-Doz. Nicole K. Strohmann, gemeinsam mit Studierenden im Rahmen eines Begleitseminars

Ausgangspunkt dieser Ausstellung ist die Wiederentdeckung der bis vor kurzem verloren geglaubten und daher als “Lost Letters” in die Musikforschung eingegangenen Briefe der schwedischen Sängerin Jenny Lind (1820-1887) an ihre Berliner Freundin Amalie Wichmann aus den Jahren 1852 bis 1874. Die Briefe befanden sich lange Zeit im Besitz der Familie Wichmann und konnten erst in den 1960er Jahren von W. Porter Ware und Thaddeus C. Lockard erworben werden, die diese in einer sehr freien und teils ungenauen englischen Übersetzung als „The Lost Letters of Jenny Lind“ publizierten. Die Originalbriefe in deutscher Sprache waren seitdem jedoch nicht auffindbar und sind nach der Erwerbung durch das Forschungszentrum Musik und Gender Hannover (fmg) nun erstmals für die musikwissenschaftliche Forschung zugänglich.

Die Briefe, die Jenny Lind an ihre enge Vertraute und mütterliche Freundin verfasste, zeugen von den vielfältigen musikbezogenen Aktivitäten, die die Sängerin vor, aber vor allem auch nach der Eheschließung und ihrem vermeintlichen Rückzug ins Privatleben pflegte - eine Lebensphase, welche die zahlreichen zeitgenössischen Lind-Biographien in der Regel aussparen. Biographische Publikationen, die das Jenny Lind-Bild prägten und bis heute prägen, fokussieren in der Regel ihre Karriere als Opernsängerin.

Dies gilt auch für das von Eduard Magnus für die Sängerin 1846 angefertigte Porträt, über das Lind in einem Brief an Amalie Wichmann rückblickend schreibt: “Ich bin da die Künstlerin”. Im Gegensatz zu der etwa 30 Jahre später entstandenen Lithographie, die “The Late Jenny Lind” zeigt, ist dieses Bild, das als Vorlage zahlreicher Reproduktionen diente, zentraler Bestandteil der Lind-Rezeption und prägt somit, wie die Sängerin heute erinnert wird.

Bildet das im fmg archivierte Quellenmaterial zu Jenny Lind zwar nur einen kleinen Teil der erhaltenen Quellen ab, so vermittelt das vielfältige Material - darunter Notendrucke mit Arrangements ihrer beliebtesten Opernarien, Briefe, Rollenbilder, Porträts, Werbeanzeigen für einen Whisky oder ein großformatiges Geschenkbuch von ihrer Amerikareise - doch ein facettenreiches Bild der schwedischen Sängerin.

Ausgehend von den im fmg überlieferten Materialien gibt die in der GWLB im Rahmen der WISSENSWELTEN präsentierte Ausstellung Einblicke in das durch diese Quellen vermittelte Wissen über Jenny Lind. Die einzelnen Kojen widmen sich dabei nicht nur den bekannten Bildern und Narrativen, sondern beleuchten auch bisher weniger bekannte Facetten ihres Lebens und Wirkens, um sie – ausgehend von der öffentlichen Wahrnehmung, aber auch der Selbstreflexion – in der Vielfalt ihrer Tätigkeiten und Rollen zu präsentieren. So tritt sie durch die Quellen nicht nur als gefeierter Opernstar in Erscheinung, sondern auch als Konzert- und durch Amerika reisende Sängerin, sowie insbesondere in den Briefen auch als Ehefrau und Mutter, Freundin, Vertraute oder Wohltäterin mit ausgeprägtem karitativem Engagement. Andererseits erscheint sie als Marke, als Werbeträgerin oder als nationales Identifikationsobjekt.

Die Ausstellung ist zu den Öffnungszeiten der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek im ersten OG frei zugänglich und kann dort bis Dezember 2023 besucht werden.

Kulturprogramm

Die Ausstellung wird durch ein Kulturprogramm in der Gottfried Wilheilm Leibniz Bibliothek begleitet:

Vorträge:

  • Beatrix Borchard: Im Dienste des Hofes oder des Marktes, 13. April 2023, 17 Uhr
  • Rebecca Grotjahn: Stimmen aus dem Jenseits: Was wissen wir eigentlich über historischen Gesang?,  8. Juni 2023, 17 Uhr

Führungen durch die Ausstellung durch Janica Dittmann und Dorothea Gertler (Teilnehmende des Begleitseminars und Hilfskräfte am fmg): 18.4., 31.5., 13.6., 11.7., jeweils 17:30 Uhr


Kuratorinnenführung durch Maren Bagge und Nicole K. Strohmann im Rahmen des Novembers der Wissenschaft, Dienstag, 3. November 2023, 16:00 Uhr.


Virtuelle Ausstellung

Ergänzend zur physischen Ausstellung wird derzeit ein digitales Format erarbeitet, das im Rahmen des virtuellen Portals Kulturerbe Niedersachsen zugänglich sein wird. Neben den digitalisierten Inhalten der Präsenzausstellung wurden im Rahmen einer fmg-Springschool weitere Inhalte erarbeitet, die in den nächsten Monaten sukzessive freigeschaltet werden und die modulare digitale Ausstellung um weitere Perspektiven bereichern.


Radio-Beiträge

Wie man Musik digital ausstellt. Multiperspektivisch ins Heute“ , Sendung im DLF am 18.7.2023, 22:05-22:50 Uhr

Welt der Musik. Musikgeschichte digital ausstellen im Kulturerbeportal Niedersachsen“, Sendung im NDR Kultur am 17.9.2023, 18:00-19:00 Uhr

 
Ein Brief der „Lost letters“. Jenny Lind an Amalie Wichmann, Schlangenbad, 9.7.1850, Rara/FMG Lind,J.17/1
The Late Jenny Lind. Lithographie. Glasgow: Maclure, MacDonald & Co. [ca. 1870], Rara/FMG Lind,J.21

Zuletzt bearbeitet: 22.04.2024

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