Ausstellungen
Whisky trifft auf Wohltätigkeit. Wissensräume um die Sängerin Jenny Lind
Ausstellung in der GWLB
Kuratiert von Dr. Maren Bagge und Univ.-Doz. Nicole K. Strohmann, gemeinsam mit Studierenden im Rahmen eines Begleitseminars
Führungen durch Janica Dittmann und Dorothea Gertler (Teilnehmende des Begleitseminars und Hilfskräfte am fmg)
- Dienstag, 18.04.2023, 17:30 Uhr
- Mittwoch, 31.05.2023, 17:30 Uhr
- Dienstag, 13.06.2023, 17:30 Uhr
- Dienstag, 11.07.2023, 17:30 Uhr
Ausgangspunkt dieser Ausstellung ist die Wiederentdeckung der bis vor kurzem verloren geglaubten und daher als “Lost Letters” in die Musikforschung eingegangenen Briefe der schwedischen Sängerin Jenny Lind (1820-1887) an ihre Berliner Freundin Amalie Wichmann aus den Jahren 1852 bis 1874. Die Briefe befanden sich lange Zeit im Besitz der Familie Wichmann und konnten erst in den 1960er Jahren von W. Porter Ware und Thaddeus C. Lockard erworben werden, die diese in einer sehr freien und teils ungenauen englischen Übersetzung als „The Lost Letters of Jenny Lind“ publizierten. Die Originalbriefe in deutscher Sprache waren seitdem jedoch nicht auffindbar und sind nach der Erwerbung durch das Forschungszentrum Musik und Gender Hannover (fmg) nun erstmals für die musikwissenschaftliche Forschung zugänglich.
Die Briefe, die Jenny Lind an ihre enge Vertraute und mütterliche Freundin verfasste, zeugen von den vielfältigen musikbezogenen Aktivitäten, die die Sängerin vor, aber vor allem auch nach der Eheschließung und ihrem vermeintlichen Rückzug ins Privatleben pflegte - eine Lebensphase, welche die zahlreichen zeitgenössischen Lind-Biographien in der Regel aussparen. Biographische Publikationen, die das Jenny Lind-Bild prägten und bis heute prägen, fokussieren in der Regel ihre Karriere als Opernsängerin.
Dies gilt auch für das von Eduard Magnus für die Sängerin 1846 angefertigte Porträt, über das Lind in einem Brief an Amalie Wichmann rückblickend schreibt: “Ich bin da die Künstlerin”. Im Gegensatz zu der etwa 30 Jahre später entstandenen Lithographie, die “The Late Jenny Lind” zeigt, ist dieses Bild, das als Vorlage zahlreicher Reproduktionen diente, zentraler Bestandteil der Lind-Rezeption und prägt somit, wie die Sängerin heute erinnert wird.
Bildet das im fmg archivierte Quellenmaterial zu Jenny Lind zwar nur einen kleinen Teil der erhaltenen Quellen ab, so vermittelt das vielfältige Material - darunter Notendrucke mit Arrangements ihrer beliebtesten Opernarien, Briefe, Rollenbilder, Porträts, Werbeanzeigen für einen Whisky oder ein großformatiges Geschenkbuch von ihrer Amerikareise - doch ein facettenreiches Bild der schwedischen Sängerin.
Ausgehend von den im fmg überlieferten Materialien gibt die in der GWLB im Rahmen der WISSENSWELTEN präsentierte Ausstellung Einblicke in das durch diese Quellen vermittelte Wissen über Jenny Lind. Die einzelnen Kojen widmen sich dabei nicht nur den bekannten Bildern und Narrativen, sondern beleuchten auch bisher weniger bekannte Facetten ihres Lebens und Wirkens, um sie – ausgehend von der öffentlichen Wahrnehmung, aber auch der Selbstreflexion – in der Vielfalt ihrer Tätigkeiten und Rollen zu präsentieren. So tritt sie durch die Quellen nicht nur als gefeierter Opernstar in Erscheinung, sondern auch als Konzert- und durch Amerika reisende Sängerin, sowie insbesondere in den Briefen auch als Ehefrau und Mutter, Freundin, Vertraute oder Wohltäterin mit ausgeprägtem karitativem Engagement. Andererseits erscheint sie als Marke, als Werbeträgerin oder als nationales Identifikationsobjekt.
Die Ausstellung ist zu den Öffnungszeiten der GWLB im ersten OG frei zugänglich und kann dort bis Juni 2023 besucht werden.
Begleitet wird die Ausstellung durch ein Kulturprogramm
Vorträge in der GWLB (Eintritt frei; Anmeldung per E-Mail an kultur@gwlb.de oder unter Tel. 0511 1267 363)
- Beatrix Borchard: Im Dienste des Hofes oder des Marktes, 13. April 2023, 17 Uhr
- Rebecca Grotjahn: Stimmen aus dem Jenseits: Was wissen wir eigentlich über historischen Gesang?, 8. Juni 2023, 17 Uhr
(Wahl-)Verwandtschaften
Ausstellung im Forschungszentrum Musik und Gender
Die diesjährige studentische Ausstellung wird im Rahmen der internationalen und interdisziplinären Tagung „(Wahl-)Verwandtschaften: Gemeinschaftliches kulturelles Handeln" (vom 7. bis 9. Juli 2022) eröffnet. Im Fokus stehen hier vier Frauen: Clara Schumann, Fanny Hensel, Ida Marie Lipsius und Sophia Dussek. Der Blick auf die kollaborativen Strukturen dieser musikschaffenden Frauen in der Musikgeschichtsschreibung zeigt eine deutliche Kohärenz: Die Quellenlage ist direkt abhängig von den kulturell akzeptierten männlichen (Wahl-)Verwandtschaften.
Der Aufbau der Ausstellung wurde bewusst als Kreis konzipiert. Die notwendige Ebene der theoretischen Aufarbeitung beginnt mit einem Blick auf Paar- und Geschwisterbeziehungen und den beiden populärsten Persönlichkeiten dieses Konzeptes: Clara Schumann und Fanny Hensel. Darauf folgen die Autorin Ida Marie Lipsius und die Komponistin Sophia Dussek, welche mit ihrem Werk „Sonata Op. 1 for the Piano or Harpsichord with an Accompaniment for Violin or German Flute“ auch die Ebene der praktischen Aufarbeitung ermöglichte: Die Pianistin Byuri Anna Choi und der Geiger Peter Son Goetz studieren an der Hochschule für Musik Detmold und haben im Rahmen dieses Projektes den ersten Satz der Sonate aufgenommen – bis heute die erste Aufnahme dieses Werks von Sophia Dussek.
Gegenüber erfolgt die Reflexion auf den Ebenen außerhalb der Kanonisierung und außerhalb Europas. Die Postkartensammling zeigt verschiedene Damen-Duos, Damen-Ensembles und Damen-Orchester in variierender Darstellung. Außerdem ermöglicht das interaktive Kunstwerk der Kölner Künstlerin Luca Wielage eine kritische Reflexion der Konzeption dieser Ausstellung, welche wechselseitig mit der Quellenlage zu verstehen ist. Der Mittelpunkt der Idee des Kreises ist die Säule, welche als Glossar der neuen Perspektiven funktioniert. Hier wird die Frage gestellt: Wie lassen sich popkulturelle Phänomene und aktuelle Diskurse über Frauenrollen und -bilder auf historische Aufarbeitung übertragen?
Aufgrund der historischen Grundlage dieser Ausstellung wurde bewusst der Begriff der musikschaffenden Frauen für die behandelten Akteurinnen gewählt. Das eindimensionale Frauenverständnis und die binäre Konstruktion der Geschlechter sollen an dieser Stelle nicht weiter reproduziert werden. Der Begriff FLINTA* soll an dieser Stelle Erwähnung finden. Er bezeichnet Frauen, Lesben, intersexuelle, nichtbinäre, trans und agender Personen – das bedeutet all jene, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität patriarchal diskriminiert werden.
Die Ausstellung entstand im Rahmen einer Kooperation mit dem Musikwissenschaftlichen Seminar Detmold/Paderborn.
Kuration: Hannah Otto und Byuri Anna Choi (Studierende des Musikwissenschaftlichen Seminars Detmold/Paderborn)
Zuletzt bearbeitet: 14.04.2023
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